Ayzit Bostan Interview Bauhaus Kleid

„Die Kunst ist, mit wenig weiterzukommen.“

Designerin und Künstlerin Ayzit Bostan ist für ihre reduzierte Mode bekannt. Konsequenterweise hat sie jetzt ein Bauhaus-Kleid entworfen. Ein Gespräch über Styling, Stoff und Stilgefühl.

Hundert Jahre Bauhaus – ein tolles Jubiläum. Hat die revolutionäre Bildungsstätte Sie schon länger inspiriert oder haben Sie erst durch Ihre Designkooperationen 2018/19 einen Bezug dazu gefunden?

Ayzit Bostan: Bauhaus interessiert mich beruflich schon lange. Ich lehre an der Kunsthochschule Kassel Produktdesign. Dort hatten wir bereits im letzten Sommersemester das Thema „Why not Bauhaus!?“. Mir ging es aber nicht um eine Retrospektive, sondern auch darum, das Bauhaus ein bisschen zu entthronen – den Hype zu durchbrechen. In der heutigen Zeit kann man das ruhig realistischer sehen und die Strenge ein wenig auflösen.

Wie zum Beispiel?

Bei der Designkooperation mit Philipp Bree habe ich einen Brustbeutel entworfen, dessen Gurt-Enden freie Formen sind und eben kein Quadrat oder Kreis. Ich fand diese Interpretation irgendwie netter und auch lustiger. Der Bauhaus-Wiedererkennungseffekt entstand trotzdem durch unsere Farbgebung in der Taschenkollektion. Danach war ich im Flow. Wenn man sich intensiv mit etwas beschäftigt, strahlt das auch in andere Bereiche aus. Ich bin froh, dass ich die Bauhaus-Idee früh aufgegriffen habe. 2019 gibt es schon einen leichten Overload: Alles wird Bauhaus. Das Kleid, für MO:DE 11 ist daher mein letztes Projekt in dieser Richtung.

Das Kleid ist sehr clean gehalten. Welche Elemente genau sind für Sie daran Bauhaus?

Vor allem die Farbe und der Stoff! Ich wollte ein pures Kleid machen, das aber durch die Ausschnittgröße auch eine gewisse Sexiness bekommt. Meiner Meinung nach war das Bauhaus nämlich auch minimal prüde. Es ist unfair: wenig Frauen sind sichtbar geblieben oder geworden, weil die Hochschule männerdominiert war – obwohl sie ja offiziell sehr progressiv und modern sein wollten. Die Studentinnen haben mehr Produkte verkauft, da ihre Entwürfe viel angewandter waren. Trotzdem sind sie als Designerinnen nie so gefeiert worden wie die männlichen Studenten/Absolventen.

 

Bauhaus Kleid Ayzed Bostan
Klassisch, luftig und zeitlos: Das Bauhaus-Kleid von Ayzit Bostan – Bild: Paul Meyer
Das Bauhaus-Kleid ist knöchellang und sehr luftig geschnitten. Hatten Sie beim Entwurf auch angewandtes Design im Sinn?

Definitiv. Ich finde ein pures Kleid so wunderbar unkompliziert. Gerade im Sommer. Man ist angezogen, es engt einen nicht ein. Man muss nicht tausend Stunden überlegen, was man anzieht. Eine Basis, die zu allem passt: flache Schuhe, hohe Schuhe, eine Tasche oder nur ein Beutel… so etwas mag ich. Im Prinzip ist es wie ein langes T-Shirt, das die Trägerin nicht anstrengt, aber trotzdem cool und angezogen aussieht. Dann hat es Taschen – praktisch! Beim inneren Gürtel fand ich toll, dass man nur eine Stelle betont und hinten locker lassen kann. Vorne ist man fitted, hinten weit. Diese Silhouette verwende ich gern.

Wie würden Sie das Kleid stylen?

Es kommt auf den verwendeten Stoff an. Das Bauhaus-Kleid gibt es in vielen Variationen, die man festlich, sinnlich oder auch ein bisschen rougher kombinieren kann. Es ist eine moderne Interpretation – keine Retrospektive.

Wie kann man das Schnittmuster zuhause anwenden?

Ganz individuell. Verschiedene Farben, verschiedene Stoffe oder Muster – auch die Ärmellängen können variiert werden. Wir arbeiten gerade an einer Version in Schwarz mit durchsichtigen Ärmeln. Das ist das Tolle am Basic-Schnitt: Man kann sich immer wieder neu inspirieren lassen.

Wenn Sie in der damaligen Zeit gelebt hätten, wären Sie auch ans Bauhaus gegangen?

Das hätte mich total interessiert. Man wusste ja, dass aufgeschlossene, modern eingestellte oder die Moderne suchende Leute ans Bauhaus gingen. In so einem Kontext zusammen zu wachsen, sich zusammen auszuprobieren und durch andere inspiriert zu werden – das ist eine große Chance. Es waren ja nicht nur lokale, sondern auch internationale Studenten und Dozenten dort. In einer Welt ohne Internet – keine alltäglichen Austauschpartner. Im Prinzip war es natürlich auch ein bisschen Name-Dropping, aber trotzdem: alles was neu ist und sich neu entwickelt ist total interessant. Wenn hier in München etwas so Spannendes aufmachen würde, wo sich wichtige und interessante Leute treffen… da würde man sich ja auch bewerben.

Wo finden Sie stattdessen kreativen Input?

In einen Beruf wie meinen wächst man durch diverse Einflüsse hinein. Modedesign war und ist eigentlich gar nicht mein Fokus im Alltag. Ich finde eher, dass man sich für viele Richtungen interessieren muss. Designer oder Künstler zu sein ist kein Nine-to-Five-Job – es ist eine Haltung. Ob Filme, Ausstellungen, Musik, Austausch – alles kann inspirieren! An manchem bleibt man hängen und nimmt es wahr, weil man mit anderen Augen, einem andere Blick durch die Welt läuft. Dann absorbieren sich die Eindrücke und am Ende kommt etwas Persönliches heraus.

Titelbild: Fabian Frinzel