Food-Trend Analyse: Wie sinnvoll ist Essen nach Farben oder Diäten?

Am Bauhaus standen schwer verdauliche Mazdaznan-Gerichte auf dem Speiseplan. Heute gibt uns Instagram täglich neue skurrile Food-Trends vor.

Food-Trend: WTF is Mazdaznan?

Ein kurzer Blick in Deutschlands Kantinen zeigt meist opulente Gerichte, wie ein klassisches Schnitzel mit Pommes Frites, Nudeln und eine obligatorische Salatbar, die neben Wurstsalat und Dosenmais oftmals ungeschälte Gurken, sowie halbgereifte Tomaten hergibt. Immerhin.

Freunde von herzhaften Mahlzeiten gingen in der Bauhaus-Mensa weitestgehend leer aus. Schon vor 100 Jahren lag dort die vegane Ernährung im Trend. Exotisch klingende Gerichte wie „Isländisch-Moos-Pudding“, „Gefülltes Brot-Symposium“ und „Knoblauch-Kaltschale“ sorgten bei den Studierenden für starken Durchfall und regelmäßige Ohnmacht.

In seinem Buch „Jenear Tischgeschichten“ widmet Autor Christian Hill den skurrilen Mazdaznan-Menüs eine ganze Seite. Initiator für diese durchaus spezielle Ernährungsform war der Schweizer Künstler und Lehrmeister Johannes Itten. Er brachte 1919 die Mazdaznan-Lehre, eine wild zusammengewürfelte Mixtur aus verschiedensten Religionen, ans Bauhaus. Bewusstes maßvolles Essen, Selbstbeherrschung und die richtige Atmung sollte die geistige und körperliche Kraft der Anhänger dieser Lebensphilosophie stärken. Schlemmen und daraus resultierendes Übergewicht waren tabu.

Vom ungenießbaren zum Instagram-tauglichen Essen

Der amerikanische Schriftsteller Tom Wolfe kritisiert in seinem kurzweiligen Pamphlet „Mit dem Bauhaus leben“ die strikte Ernährungsform: „Es gab in Weimar eine Phase, da bestand die Bauhaus-Diät ausschließlich aus einem Mus von rohem, frisch geernteten Gemüse. Das Mus war so schlaff und faserig, dass man Knoblauch beigeben musste, um irgendeinen Geschmack zu erzielen.“

Doch hat sich seitdem wirklich so viel geändert? Im Zeitalter von sozialen Medien, in dem ein Food-Trend den nächsten jagt, sind wir heute vielleicht sogar noch extremer als Itten es uns vorlebte. Mal ehrlich, wer hat noch keine im Internet aufgeschnappte, erfolgversprechende Diät ausprobiert und nach spätestens einer Woche wieder aufgegeben?

Food-Trends sehen oft toll aus, sind sie aber auch nahrhaft? Bild: Marie-Louise Wenzl Sylvester, inspiriert von Philip Karlberg

Gelber Montag, grüner Dienstag

Wer sich, wie Schauspielerin Gwyneth Paltrow, beispielsweise glutenfrei ernährt, lässt Weizen, Gerste und Hafer weg. Doch es ist ein Trugschluss, dass für das Abnehmen das fehlende Gluten verantwortlich ist. Anhänger dieser Diät verzichten hierbei lediglich auf Kalorienbomben wie Kuchen, Kekse oder Knabbersachen. Eine dauerhaft glutenfreie Ernährung wird von Experten ausschließlich bei einer nachgewiesenen Unverträglichkeit empfohlen.

Wesentlich kreativer klingt die bunte Ernährungsstrategie, auf die Stars wie Sängerin Christina Aguliera schwören: Richtet man sich nach der Sieben-Farben-Diät, wird jedem Wochentag eine andere Food-Farbe zugewiesen. Montag gibt es beispielsweise nur gelbe Kost, Dienstag kommt nur Grün auf den Teller und so weiter.

Ist Essen durch Instagram ein "totaler Irrsinn" geworden?

Felix Pfeiffer ist bereits sein gesamtes Berufsleben in der Gastronomie tätig. In seiner aktuellen Position, als Restaurantleiter des Schloss-Hotels Ischgl, nimmt er eigenartige Entwicklungen seiner Gäste wahr:„Nach 15 Jahren Gastronomie habe ich so ziemlich alles erlebt. Mittlerweile wird bei so gut wie jeder Bestellung der Wunsch nach gluten- oder laktosefreien Varianten geäußert. Lebensmittelunverträglichkeiten oder Allergien sind meiner Meinung nach nichts weiter als eine neuzeitliche Erfindung.“

Doch nicht nur die Extrawünsche nehmen zu, auch das Essverhalten hat sich deutlich verändert: „Nicht selten klettert schon mal der ein oder andere Gast auf seinen Stuhl, um seinen Teller mit dem Smartphoneperfekt fotografieren zu können. Für mich persönlich ist das alles der totale Irrsinn.“

Farbenfroh: Bei Food-Trends isst das Auge mit. Bild: Marie-Louise Wenzl Sylvester, inspiriert von Philip Karlberg

Was steckt wirklich hinter dem Hashtag #food?

Lassen wir uns in puncto Ernährung wirklich so sehr von Instagram und Co. beeinflussen? Ein kurzer Blick in die Foto-App mit Milliarden Nutzern zeigt: Das Hashtag #food alleine verzeichnet momentan über 300 Millionen Beiträge. Eine schwindelerregende Zahl, die den weltweiten Ernährungswahn recht gut verdeutlicht.

Fast 50.000 Beiträge findet man unter dem Stichwort #mastercleanse. Die höchst umstrittene Schlankmacher-Strategie von Heilpraktiker Stanley Burroughs rät zu einer 10-tägigen Fastenkur, bei der man nichts als Zitronensaft, Cayenne-Pfeffer und Ahornsirup zu sich nimmt.

Wieso regionales Essen immer noch am besten ist

Der Tiroler Jungunternehmer und Gastronom Stephan Mauracher ist in Österreich zwischen Bergen, Kühen und dem eigenen Gemüsebeet aufgewachsen. Mittlerweile führt er sein eigenes Hotel und setzt dort von Anfang an auf natürliche und regionale Kost. Ihn überzeugen die vermeintlichen Wunderdiäten daher nicht: „Der häufigste Grund für Krankheiten ist eine falsche Ernährung. Die Leute nehmen nur noch Produkte ohne Nährstoffe zu sich, weil sie an der falschen Stelle sparen. Dafür geben sie dann viel Geld für Medikamente oder Nahrungsergänzungsmittel aus.“

Für sein Restaurant in Kufstein bezieht der 26-Jährige ausschließlich regionale Lebensmittel vom familieneigenen Hof.

So könnte auch das Mazdaznan des 21. Jahrhunderts aussehen. Eine vernünftige Mischung aus regionalen Produkten aus eigenem Anbau und Fleisch erzeugt aus artgerechter Haltung von hoher Qualität (in Maßen). Und, wer weiß, vielleicht doch ab und zu eine stoffwechselfördernde Knoblauch-Kaltschale.

Food-Trends sind dann beliebt, wenn sie bio sind und hübsch aussehen. Bild: Marie-Louise Wenzl Sylvester, inspiriert von Philip Karlberg

Titelbild: Marie-Louise Wenzl-Sylvester, inspiriert von Philip Karlberg