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Für die Frauen am Bauhaus bedeutete ein Kind meist das Ende der Karriere.

Wie sieht das 100 Jahre später aus? 4 Frauen über ihren individuellen Plan Familie

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"Während des studiums schwanger zu werden,
war ein segen." - Yvonne, 33

Das erste Kind mit 23 zu bekommen, ist nicht unbedingt ungewöhnlich. Manche stehen da seit Jahren im Beruf, haben Sicherheiten, Routine und vielleicht einfach Lust, ihren Alltag mit einer neuen Aufgabe und Herausforderung zu bereichern. Befindet man sich mit 23 allerdings noch im Studium, sieht die Sache mit dem Baby ganz anders aus: Der Plan von der großen Karriere, von Unabhängigkeit und davon, die Welt zu bereisen, wird – auf unbestimmte Zeit – verschoben.

  

Nur Sechs Prozent der Frauen in Deutschland sind Mutter. Zu dieser Randgruppe zählte Yvonne, als sie 2009 ungeplant mit ihrem Sohn Noah schwanger wurde. Damals steckte sie mitten im Architektur-Studium, war mit ihrem Kommilitonen Michael zusammen, hatte zwar den Wunsch nach eigenen Kindern, aber doch bitte zu einem viel späteren Zeitpunkt! Rückblickend, sagt Yvonne, war es aber genau der richtige. Trotz anfänglicher Ängste, Lehrplan und Familienzeiten unter einen Hut zu bringen, ließ sich der Alltag mit Uni und Baby doch einfacher gestalten, als erwartet. Bei der Betreuung tagsüber wechselte sich Yvonne mit Michael ab; wenn Noah schlief, konnte sie an Uniprojekten arbeiten werden oder Vorlesungen online nachholen. Das Ende ihres Studiums bedeutete auch das Ende dieser liebgewonnenen Flexibilität: Yvonne fing an, zu festen Zeiten in einem Architekturbüro zu arbeiten. Als sie erneut schwanger wurde, stand für sie zwar von Anfang an fest, bald nach der Geburt wieder in die Berufswelt zurückkehren zu wollen, allerdings wusste sie, dass das nur in Teilzeit möglich sein würde. 

 

Aktuell sind Tochter Greta und Sohn Noah bis Nachmittags bei der Tagesmutter, dann kümmerst Yvonne sich um sie. Ihr Partner Michael arbeitet in Vollzeit, absolviert außerdem die Ausbildung zum Ziviltechniker. Die ist in ihrer neuen Wahlheimat, Dornbirn in Österrich, nämlich Voraussetzung für das nächste Projekt des Paares: Die jungen Eltern wollen sich als Architekten selbstständig machen. Yvonne fehlt diese Voraussetzung bislang. Um die Ausbildung zum Ziviltechniker zu bestehen, müsste sie drei Jahre als Vollzeitkraft arbeiten – für junge Mütter fast unmöglich. Eine Hürde, die laut Yvonne sofort geändert werden muss! Schließlich setze sich Arbeitserfahrung aus mehr als nur abgeleisteten Stunden zusammen. Irgendwie, das hat sie ihr Leben als junge Mutter gelehrt, wird sie auch diese Hürde meistern. Es gibt ja nur zwei Wege, sagt sie: Entweder richtet man sein Leben nach dem Kind aus – oder man integriert das Kind in sein Leben. Yvonne hat sich für letztere Variante entscheiden und möchte sich keine andere vorstellen müssen.

"ich möchte meine eigenen regeln aufstellen."
- Lisa, 30

Lisa, 30, gründete 2013 mit ihrer Geschäftspartnerin die Kreativagentur Blogger Bazaar, die heute ihren Sitz in Berlin hat. Ein voller Terminplan mit Events und Businessmeetings gehören seither zu ihrem Alltag. Freie Tage oder Wochenenden konnte sie die letzten Jahre nur selten genießen. Trotz ihrer Verpflichtungen hat sie der Wunsch von eigenen Kindern schon früh begleitet. Da ihr Job nicht die Sicherheiten garantiert, die eine klassische Festanstellung mit sich bringt, musste die Familienplanung hintenangestellt werden. 

 

„Als Selbstständige hatte ich immer das Gefühl, dass ich nicht ausreichend abgesichert bin“, so Lisa. Diese Furcht habe  in den letzten Jahren abgenommen, das Kinderthema rückte wieder in den Vordergrund. Um auch ihren Mitarbeiterinnen diese Ängste zu nehmen, legt Lisa einen Wert auf eine Arbeitskultur, die sehr emphatisch und ehrlich ist und auf individuelle Bedürfnisse der anderen eingeht. Gerade bei Minderheiten, sagt sie, solle es generell so sein, dass man sich unterstützt und gegenseitig stark macht. Vor allem in männerdominierten Strukturen werde Müttern oftmals mit Intoleranz begegnet, die durch den Zusammenhalt unter Frauen verhindert werden könne. Neben der Karriere gibt es für Lisa noch einen weiteren Grund, aus dem sich Frauen oftmals gegen ein Kind entscheiden. In Berlin sieht sie neben dem beruflichen Druck vor allem einen „Lifestyle-Druck“. Überall dabei zu sein und nach dem Motto „sehen und gesehen werden“ zu leben, habe Priorität, weshalb für viele erstmal kein Kind in Frage käme. Bei Freunden außerhalb ihrer Branche könne sie allerdings beobachten, dass Familie früher ein Thema wird. 

 

Wenn sie sich demnächst für Nachwuchs entscheidet: Wie möchte sie die Balance zwischen Job und Familie finden? „Ich kann mir vorstellen, mein Kind mit zu Meetings zu nehmen und es vielleicht sogar währenddessen zu stillen.“ Lisa gibt sich da sehr zuversichtlich, weil sie ihre Rolle durch die Selbstständigkeit selbst definieren und anpassen kann. Die Agenturleiterin möchte bestehende Grenzen durchbrechen und Menschen so mit einer neuen Realität konfrontieren, um diese Situationen zur Normalität werden zu lassen. Es gehe ihr darum, zu sagen: „Hey, ich bin zwar Mutter, aber ich bin noch immer Lisa, ich bin noch immer dieselbe Person und noch immer ein aktives Mitglied der Gesellschaft“. 

 

Wichtig sei es ihr auch, dass beide Elternteile gleichwertig involviert und engagiert dabei sind. Dass eine intensiv gelebte Vaterrolle für Männer in der heutigen Zeit immer wichtiger wird, sei eine positive Entwicklung für eine moderne und gleichberechtigte Elternschaft. Allerdings sieht Lisa große Lücken im System: fehlende Kita-Plätze, ein Mangel an Tagesmüttern und ein veraltetes Schulwesen sind Probleme die bestimmt auch für sie eine Herausforderung darstellen werden. Um nachhaltig etwas zu verändern, müsse erst einmal das Muttersein in der Gesellschaft anerkannt werden. „Denn auch das Muttersein ist eine Art Beruf, der viel Energie kostet und bei dem es darum geht, die zukünftigen Anführer unserer Gesellschaft zu formen.“

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"ich musste lernen, aufgaben abzugeben."
- franziska, 45

Franziska arbeitet nun schon seit mehr als 20 Jahren für die deutsche Ausgabe des Modemagazins Elle. Trotz ihres zeitintensiven Jobs lebt sie auch ihr Familienleben mit Tochter und Mann mit viel Energie. Zwei unterschiedliche Bereiche ihres Lebens, die ihr gleichermaßen Freiheit geben und sie wachsen lassen. In ihrer Berufslaufbahn ist Franziska nie an den Punkt gekommen, sich entweder für den Job oder die Familie entscheiden zu müssen. Für sie sei es immer klar gewesen, konstant arbeiten zu wollen und selbstständig zu leben. 

 

Um diese zwei Komponenten zu vereinen, musste sie jedoch lernen, Kompromisse einzugehen, was ihre eigenen Ansprüche angeht. „Frauen wollen in allem 100% gut sein und alles geben. Ganz ohne Abstriche geht es jedoch nicht, wenn man Familie und Karriere unter einen Hut kriegen möchte“, sagt Franziska.  Da sowohl ihr Mann als auch sie selbst beruflich sehr eingespannt sind, waren sie von Anfang an auf die Hilfe von Dritten Parteien angewiesen. Das Vertrauen und das Abgeben von Verantwortung sei somit ein wichtiger Bestandteil ihres Familienlebens. 

 

Veränderung kann laut Franziska nur stattfinden, wenn Frauen mehr Dinge einfordern, den Männern mehr abverlangen und anfangen, „auch mal ihren Stiefel durchzuziehen“. Um eine gewisse Selbstverständlichkeit nach außen zu repräsentieren, sei das Selbstbewusstsein der Frauen ein wichtiger Faktor. Nur so könne ein gesellschaftliches Umdenken entstehen. Als Führungskraft ist ihr auch klar, dass die Doppelbelastung Job und Familie oftmals zu Konflikten führen kann. Mit diesem Thema sollte daher sehr sensibel umgegangen werden: Es dürfe für keinen ein Nachteil entstehen, auch nicht für Frauen ohne Kinder. „Wenn eine Mutter früher los muss um ihr Kind abzuholen, sollte den kinderlosen Kolleginnen ein Ausgleich gewährt werden“, erklärt Franziska. Man könne nicht immer nur von den „armen Müttern“ sprechen, sondern müsse das gesamte Bild betrachten. 

 

In der Gesellschaft beobachtet Franziska eine Renaissance des Biedermeier, wie sie sagt: die Rückbesinnung auf die Familie, traditionelle Werte und eine große Sehnsucht nach Stabilität. Ein sehr klassisches Familienbild, das sie selbst nie hatte. Sie sei von einem sehr gleichberechtigten Rollenbild geprägt worden, weshalb ihr dies auch in der Erziehung ihrer Tochter besonders wichtig ist. Jeder Elternteil solle nach seinen Stärken eingesetzt werden, um das Bestmögliche herauszuholen. In Bezug auf Gleichberechtigung, fordert Franziska eine größere Wertschätzung der Männer und gegenseitigen Respekt: „Es ist kein Kampf. Es sollte keiner sein aber momentan ist es noch einer.“

"ich möchte keine aufführung meines kindes
verpassen."
- sarah, 27

Wenn Sarah einmal Kinder hat, möchte sie ihnen bei den Hausaufgaben helfen, nachmittags mit ihnen ins Schwimmbad gehen und keine ihrer Musikaufführungen verpassen. Schließlich sind das die Ereignisse, die eine Mutter nicht verpassen sollte, findet sie. Sie ist aber der Meinung, dass das nur funktionieren kann, wenn sie Abstriche im Beruf machen würde. Eigentlich bietet ihr Job als Visual Commercial Manager bei Zara, wo sie für die Gestaltung der Verkaufsflächen zuständig ist, die idealen Arbeitszeiten für Mütter. Länger als 15:00 Uhr muss sie selten arbeiten. Sarah möchte sich jedoch noch weiterbilden, Seminare und Workshops sowie Filialen auf der ganzen Welt besuchen. Mit einem Kind wäre das für sie, die rund um die Uhr für ihre Familie da sein möchte, unmöglich. Daher hat sie dieses Thema erstmals auf Eis gelegt. 

 

Eigentlich so gar nicht, was sie sich einmal vorgestellt hat: Mit 27 wollte sie bereits in einem Haus leben, sich hingebungsvoll um zwei Kindern kümmern und das Leben als Familienmutter genießen. Zwar hat sie seit zehn Jahren eine stabile Beziehung, wohnt aber in einer gemütlichen Altbauwohnung und plant Kinder frühestens mit 30. Warum hat sich ihre Wunschvorstellung nach einer klassischen Familie so verändert? Das liegt unter anderem an ihrem beruflichen Aufstieg, der ihr ganz neue Möglichkeiten aufzeigte. 

 

Angefangen hatte sie als gelernte Einzelhandelskauffrau. Das hieß: wechselnde Schichten, lange Arbeitszeiten und Einsätze auch an Samstagen – nicht gerade familienfreundlich. Viele Mütter mit Kindern arbeiten daher in Teilzeit und müssen trotzdem um freie Wochenenden kämpfen, da auch bei einer 25-Stunden-Woche nicht jeder Wunsch erfüllt werden kann. Jene Kolleginnen, die Vollzeit arbeiteten, waren oft gelangweilt und ausgebrannt, viele sahen in der Familienplanung den einzigen Ausweg. Doch Sarah merkte: ich möchte mich noch nicht aufs Private konzentrieren, sondern mich beruflich noch neuen Herausforderungen stellen! Deshalb bewarb sie sich als Visual Commercial Manager, wurde genommen – und sammelt seitdem Erfahrungen, die zu sammeln mit einem Kind schwierig wären. 

 

Wenn der richtige Zeitpunkt gekommen ist, sagt sie, werde es ihr besonders wichtig sein, dass ihr Partner nicht nur beim Kinderwunsch, sondern auch bei der Erziehung hundert Prozent hinter ihr steht. Schließlich opfere die Frau doch einiges für eine Familie. Daher ist es für Sarah nicht abwegig, dass der Partner nach der Geburt in Elternzeit geht – mindestens zwei Monate. Um das zu klären, sei aber noch genügend Zeit. Gerade lebt sie sehr gern im Hier und Jetzt.

Illustration: Patrick Simon @the.paperboi