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Trendanalyse Funktionskleidung: Utility im Herbst 2019

Schön ist, was funktioniert. Diese Meinung vertraten nicht nur die Schüler und Lehrenden am Bauhaus – auch die Designer der aktuellen Mode. Eine Analyse des Utility-Trends.

Schnelllebigkeit ist heutzutage ein prägender Teil unserer Gesellschaft. Oft haben weder Gebrauchsgegenstände, noch Dinge mit einem persönlichen Bezug, wie zum Beispiel Beziehungen, eine langfristige Bedeutung für jeden Einzelnen. Doch derzeit scheinen sich genau danach die Menschen zu sehnen. Und das hat einen Grund: die politisch kritische und instabile Lage bringt uns dazu, Einfachheit und Klarheit im Alltag zu schätzen. Diese Probleme greifen die Mode-Designer im Herbst/Winter 2019/20 in ihre Kollektionen auf. 

In Form von funktioneller Mode kreieren sie Designs, die einen langfristigen Nutzen haben. Utility (Deutsch: Nützlichkeit) nennt sich der Trend, der Designelemente der funktionalen Outdoor-Bekleidung in den zeitgenössischen Kontext integriert. „Auf den Laufstegen wurden Jumpsuits, gegürtete Hosen und Jacken gezeigt […] Der Trend liegt irgendwo zwischen schicker Safari und modernem Militär. Aber die allgemeine Botschaft ist klar: Mach dich nützlich“, schreibt Kerry Pieri in der amerikanische Harper‘s Bazaar über die Schauen.

Funktionskleidung: Der Utility-Chic von Stella Mccartney

 

 
 
 
 
 
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Ein Paradebeispiel für den Trend ist Stella McCartney. Gummistiefel, Cargo-Hosen und Outdoor-Jacken mit aufgesetzte Leistentaschen. Im Gegenzug dazu zeigt sie feminine Silhouetten und Materialien wie taillierte Blazer, Chiffon-Kleider und Fransen. Die britische Designerin vereint in ihrer Herbst-/Winterkollektion 2019/20 das Design der Jagd- und Militärkleidung mit der Eleganz der Powerfrau von heute: Ausgerechnet große aufgesetzte Taschen und Kellerfalten etwa – bislang eher als praktisch, weniger als schön angesehen – werden bei McCartney zu den Herzstücken ihrer Looks. „Funktion wird in Form des Utility-Chic in die Mode aufgenommen“, beschreibt Elizabeth von der Goltz, Buying Director des Luxus-Händlers Net-a-Porter, das Phänomen.

Virgil Ablohs Sportliche Funktionalität

Ein Label, das schon seit seiner Gründung 2013 mit sportlichen Street-Styles und Elementen des Outdoor-Bereichs arbeitet, ist Off-White. Für seine Kollektion für Herbst/Winter 2019/20 spiegelt Chefdesigner Virgil Abloh vollkommene Funktionalität wider: Seine Models in übergroßen Daunenmänteln und Dufflecoats könnten auch ebenso eine Polarexpedition starten. „Virgil Abloh designt mit einem sehr hohen kreativen Anspruch und stellt gleichzeitig die Funktionalität in den Vordergrund“, sagt Theresa Pichler, Fashion Director der deutschen InStyle. Das Fleece-Material, das Abloh für die Kollektion bevorzugt, kommt aus dem Bereich der Outdoor-Bekleidung – es wärmt, ist formbeständig und trocknet schnell. Somit setzt der Designer nicht nur auf Optik, sondern greift auch bei der Materialauswahl auf funktionale Stoffe zurück.

 
 
 
 
 
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Utility-Trend: Matthew M. Williams' multifunktionale Einsetzbarkeit

Klassische Sport-Labels wie Adidas, Nike und Co. perfektionieren diese Verschmelzung längst. Durch Kooperationen mit High-Fashion-Labels bringen sie die Funktionalität des Sports auf die Laufstege. 

Zuletzt kollaborierte Nike mit dem amerikanischen Designer Matthew M. Williams, der 2009 durch die Zusammenarbeit mit Lady Gaga bekannt wurde. Williams entwarf 2018 eine Capsule-Kollektion für Nike, und arbeitet nun vermehrt an Schuhen für das Label, die den Multifunktionalitätseffekt aufgreifen.

Sein eigenes Label, 1017 ALYX 9SM, das in den letzen Saisonen eines der Newcomer-Brands auf den Pariser Modewochen war, zelebriert den Trend noch mehr. Für Herbst/Winter 2019/20 präsentiert Williams Cargo-Hosen, die man als elegant und sportlich zugleich bezeichnen kann. Regenjacken, die sowohl die Funktion des gelben Paddington-Mantels erfüllen, als auch mit moderner Optik überzeugen. Außerdem zeigt er klassische Rollkragen-Pullover, die durch ihren Schnitt und ihr atmungsaktives Material als Second Skin unter einen Blazer oder als Breathables beim nächsten Run getragen werden können. Kleidungsstücke, die zu jeder Uhrzeit, zu jedem Anlass und bei jedem Wetter zum Einsatz kommen.

 

 
 
 
 
 
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Funktionskleidung ist gekommen um zu bleiben

Die Gegenströmung CAMP dagegen – Eyecatcher und Motto der diesjährigen Met-Gala – zelebriert laut Susan Sontag die Liebe zum Unnatürlichen, zur Künstlichkeit und zur Übertreibung. Der Funktionalitätsgedanke aber ist es, der der Allgemeinheit einen zeitlosen, langfristigen Nutzen liefert: „Funktionskleidung ist gekommen, um zu bleiben. Seitdem sie bewusst entworfen wird, finden immer mehr Menschen Gefallen daran. Eine Regenjacke, ein Parka oder Track-Pants werden sich auch in ihrer Grundform nie ändern. Wer hier in gute Teile investiert, hat sie ein Leben lang“, erklärt InStyle-Expertin Theresa Pichler.

Die Form folgt also der Funktion. An dieses obligatorische Bauhaus-Credo von Architekt Louis O‘Sullivan knüpft heute die Mode an: Designs und Produkte werden langlebig, praktisch, modern und ästhetisch. Genau das wird in unserer Zeit, die von politischem Chaos geprägt ist, gebraucht. Denn schön ist am Ende, was funktioniert.

Bilder: Paul Meyer; Model: Aïssatou Estelle Niang